Beschaffung mit Weitblick – was Vergaberecht in der Praxis leisten kann

Ein Spannungsfeld zwischen Regelwerk und Realität
Wenn kommunale Unternehmen einkaufen, stehen sie unter doppeltem Druck: Einerseits gilt es, wirtschaftlich und effizient zu handeln, andererseits müssen sie ein engmaschiges Netz aus gesetzlichen Vorgaben, Nachweispflichten und Transparenzanforderungen einhalten. Insbesondere das Vergaberecht wird dabei häufig als formalistisch und praxisfern erlebt – ein juristisches Regelwerk, das selten auf die konkreten Bedingungen in kommunalen Entsorgungsbetrieben zugeschnitten zu sein scheint. Doch die täglichen Erfahrungen in Einkauf und Vergabestellen zeigen: Genau zwischen diesen Polen aus Regel und Realität entstehen die spannendsten Fragen. Wie können Leistungen qualitativ hochwertig und dennoch wirtschaftlich beschafft werden? Wie lassen sich Nachhaltigkeitsziele tatsächlich in Ausschreibungen umsetzen? Und wie viel Flexibilität bleibt im rechtlich engen Rahmen, wenn Märkte sich verändern oder der Bedarf kurzfristig ansteigt?
Austausch als Schlüssel zur Lösungsfindung
Den „Erfahrungsaustausch Beschaffungspraxis kommunaler Betriebe“ hat die Kanzlei Dageförde und die Akademie Dr. Obladen aus diesem Grund ins Leben gerufen – um Praktikerinnen und Praktikern, die Vergabeverfahren aktiv gestalten, eine strukturierte Plattform für den Dialog zu bieten. Zweimal jährlich kommen Fach- und Führungskräfte aus kommunalen Unternehmen zusammen, um aktuelle Themen zu diskutieren, Herausforderungen zu analysieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Im Mittelpunkt stehen keine abstrakten Rechtsfragen, sondern das konkrete Anwendungshandeln im betrieblichen Beschaffungsalltag. Die Gruppen sind bewusst auf feste Teilnehmende ausgelegt, um einen vertraulichen Rahmen zu schaffen, in dem auch sensible Fragen offen angesprochen werden können. Der fachlich moderierte Austausch ermöglicht es, Perspektiven zu öffnen, Erfahrungen zu teilen und von erfolgreichen und durchaus vom Misserfolg anderer zu lernen, stets mit hohem Praxisbezug.
Praxisorientiert, nicht theoretisch
In den vergangenen Jahren hat sich der Austausch thematisch breit entwickelt. Es ging um die vergaberechtskonforme Beschaffung von Arbeits- und Schutzkleidung, die Integration umweltbezogener Zuschlagskriterien, um funktionale Ausschreibungen für Entsorgungsleistungen, aber auch um komplexe Fragen zur Beschaffung von Kommunalfahrzeugen – etwa in Leasing- oder Mietmodellen mit alternativen Antrieben. Besonders deutlich wurde dabei, dass es oft nicht an rechtlichem Wissen mangelt, sondern an Erfahrung mit dem Spielraum zwischen Vorschrift und Gestaltungsmöglichkeit. Themen wie die Einführung von eForms oder die Umsetzung der Vergabestatistikverordnung warfen konkrete Fragen auf: Wie lassen sich zusätzliche Angaben wie Eigentümerstruktur oder Unternehmensgröße sinnvoll in bestehende Prozesse einbinden? Welche Unterstützung bieten digitale Systeme wirklich – und wo entstehen neue Reibungsverluste? Auch diese Punkte wurden in zurückliegenden Treffen offen diskutiert, ohne die Komplexität zu beschönigen.
Blick nach vorn: Geplante Vergabereform im Koalitionsvertrag
Auch wenn noch kein Gesetz verabschiedet wurde, kündigt sich eine umfassende Reform des Vergaberechts an. Der aktuelle Koalitionsvertrag von CDU und SPD sieht vor, das öffentliche Beschaffungswesen zu vereinfachen, zu beschleunigen und stärker auf Wirtschaftlichkeit auszurichten. Vorgesehen ist unter anderem, Zuschlagskriterien zu reduzieren und die Verfahren stärker am Grundsatz der wirtschaftlichen, diskriminierungs- und korruptionsfreien Beschaffung auszurichten. Damit gerät insbesondere die bisher politisch gewollte Berücksichtigung ökologischer und sozialer Aspekte unter Druck. Kommunale Auftraggeber fragen sich zu Recht, ob nachhaltige Beschaffung weiterhin rechtssicher möglich sein wird – oder ob künftig allein der Preis entscheidet.
Geplant ist zudem die Anhebung von Wertgrenzen im Unterschwellenbereich, was zwar Verfahren beschleunigen könnte, gleichzeitig aber den Wettbewerb einschränkt und Transparenz gefährdet. Auch die föderale Struktur wird herausgefordert: Der Bund strebt eine Vereinheitlichung der Vergaberegeln an, während einige Länder, etwa NRW, eigene Spielräume über kommunales Satzungsrecht betonen.
Wissen durch Erfahrung – nicht durch Vorschrift
Der besondere Wert des Erfahrungsaustauschs liegt darin, dass er diese Übersetzungsarbeit gemeinschaftlich leistet. Die Treffen schaffen nicht nur Raum für Diskussion, sondern sie strukturieren den Austausch gezielt: Die Themen werden im Vorfeld abgestimmt, die Tagesordnung vorbereitet, die Gespräche moderiert und die Ergebnisse dokumentiert. Dadurch entsteht ein fachlich fundierter Rahmen, der über spontane Gespräche hinausgeht. Jedes Treffen baut auf dem Vorangegangenen auf, Erkenntnisse werden gesichert, Fragen vertieft, Ideen weiterentwickelt. Viele Teilnehmende berichten, dass sie durch die Arbeit im Austausch konkrete Verbesserungen in ihren Verfahren umsetzen konnten – sei es in der Formulierung von Ausschreibungsunterlagen, in der Auswahl geeigneter Zuschlagskriterien oder in der Gestaltung interner Abstimmungsprozesse.
Vertrauen, Struktur und konkrete Wirkung
Ein zentraler Erfolgsfaktor des Formats ist das Vertrauen, das durch Kontinuität und Verlässlichkeit entsteht. Die festen Gruppenstrukturen ermöglichen Offenheit. Niemand muss befürchten, mit Fragen oder Unsicherheiten allein dazustehen. Die hybride Ausgestaltung – mit der Möglichkeit zur Präsenz- oder Online-Teilnahme – sorgt für Flexibilität, ohne den Charakter des persönlichen Austauschs zu verlieren. Und die Dokumentation der Ergebnisse stellt sicher, dass das erarbeitete Wissen nicht verloren geht, sondern im Arbeitsalltag weiterverwendet werden kann. Die Teilnehmenden profitieren davon nicht nur individuell, sondern im besten Fall auch ihre gesamten Organisationen – durch bessere, fundiertere und tragfähigere Beschaffungsentscheidungen.
Einladung zur Beteiligung
Das nächste Treffen des Erfahrungsaustauschs findet am 5. November 2025 im Landkreis Leer statt. Wie immer ist die Veranstaltung als Hybridformat angelegt, sodass eine Teilnahme sowohl vor Ort als auch digital möglich ist. Eingeladen sind alle, die in kommunalen Unternehmen oder Verwaltungen Verantwortung für die Gestaltung von Vergabeverfahren tragen – ob strategisch, juristisch oder operativ. Der Austausch lebt von der Beteiligung engagierter Praktikerinnen und Praktiker, die ihre Erfahrungen teilen und bereit sind, gemeinsam an der Weiterentwicklung kommunaler Beschaffung zu arbeiten. Der konkrete Ort des kommenden Treffens wird im Kreis der teilnehmenden Unternehmen abgestimmt – mit dem Ziel, regionale Nähe, Praxiseinbindung und gegenseitigen Besuch vor Ort sinnvoll zu verbinden.
Der „Erfahrungsaustausch Beschaffungspraxis kommunaler Betriebe“ zeigt, dass die richtigen Fragen nicht im Gesetzestext stehen, sondern im Austausch mit anderen entstehen. Gute Beschaffung braucht nicht nur Regeln, sondern vor allem Menschen, die bereit sind, über ihre Umsetzung nachzudenken – und genau dafür bietet dieser Austausch einen verlässlichen Rahmen.
Weitere Informationen sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier: Zur Anmeldung
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