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Deutschland und der Elektroschrott: Warum die Sammelquote hinter den Erwartungen bleibt

Eine Vielzahl alter Elektronikgeräte und Komponenten als Elektroschrott auf einer Oberfläche verteilt.
Autor
Dr. Hans-Peter Obladen
Veröffentlicht
09.11.2024

Haben Sie sich jemals gefragt, warum Deutschland trotz seiner Vorreiterrolle im Umweltschutz bei der Elektroschrott-Sammelquote hinterherhinkt? In einem Land, das stolz auf seine strengen Recyclingvorschriften ist, überrascht es, dass die Sammelquote von Elektroaltgeräten im Jahr 2022 auf nur 31,7 % gesunken ist – weit entfernt von den 65 %, die seit 2019 gefordert werden. Deutschland steht vor einer Herausforderung, die tiefer geht als bloße Zahlen: Es handelt sich um ein Problem, das sowohl die Umwelt als auch wertvolle Ressourcen betrifft. In diesem Artikel werden wir die Ursachen für diese niedrige Quote analysieren und Lösungen aufzeigen, wie Deutschland seine Ziele im Bereich Elektroschrott erreichen kann.

Was bedeutet Elektroschrott und warum ist er ein Problem?

Elektroschrott, auch als Elektro- und Elektronikaltgeräte (WEEE – Waste Electrical and Electronic Equipment) bezeichnet, umfasst alle elektrischen Geräte, die nicht mehr verwendet werden, weil sie defekt oder veraltet sind. Dazu gehört alles von alten Smartphones und Computern bis hin zu Kühlschränken und Waschmaschinen. Aber warum ist Elektroschrott ein so großes Problem?

Erstens enthält Elektroschrott gefährliche Materialien wie Blei, Quecksilber und Cadmium, die bei unsachgemäßer Entsorgung die Umwelt erheblich schädigen können. Diese Stoffe können Böden und Gewässer kontaminieren und stellen eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen und Tieren dar. Darüber hinaus enthalten viele Elektrogeräte wertvolle Rohstoffe wie Gold, Silber, Kupfer und seltene Erden. Diese Metalle sind nicht nur knapp und teuer, sondern auch essenziell für die Herstellung neuer Technologien. Wenn Elektroschrott nicht richtig entsorgt und recycelt wird, gehen diese wertvollen Rohstoffe verloren, während neue Ressourcen unter großem Aufwand abgebaut werden müssen. Hinzu kommt, dass die gesamte EU im Jahr 2020 auf ein Abfallaufkommen von rund 4,7 Millionen Tonnen Elektroschrott kam, was einem Höchststand entspricht. Damit das Problem der Ressourcennutzung nicht weiter eskaliert, ist eine deutliche Verbesserung der Sammelquote in Deutschland dringend erforderlich.

Aktuelle Zahlen zu Elektroschrott in Deutschland

Die Statistiken zeigen, dass das Problem des Elektroschrotts in Deutschland und der EU weiter wächst. Im Jahr 2020 landeten in Deutschland etwas mehr als eine Million Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte in den Abfallsammelstellen (Quelle: Statistisches Bundesamt). Pro Kopf verursachte jede/r EU-Bürger/-in im Jahr 2020 durchschnittlich rund 10,5 Kilogramm Elektroschrott, während Deutschland mit 12,5 Kilogramm pro Kopf noch über dem EU-Durchschnitt lag. Trotz dieser beeindruckenden Mengen bleibt die Sammelquote mit 31,7 % weit hinter den Erwartungen zurück (Quelle: Umweltbundesamt).

Daten aus dem Jahr 2022 zeigen außerdem, dass Deutschland im Konsum von Elektrogeräten mit 33,9 Kilogramm pro Kopf zu den Spitzenreitern in der EU gehört. Im europäischen Vergleich nimmt Deutschland bei der Sammelquote jedoch nur Platz 22 ein, ein Missverhältnis, das die Deutsche Umwelthilfe scharf kritisiert. Sie fordert effizientere Regelungen, um den steigenden Berg an Elektroschrott in Deutschland besser in den Griff zu bekommen.

Die WEEE-Richtlinie und das Elektro- und Elektronikgerätegesetz: Drei zentrale Ziele

Um der wachsenden Herausforderung des Elektroschrotts zu begegnen, hat die Europäische Union die WEEE-Richtlinie erlassen, die durch das deutsche Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) in nationales Recht umgesetzt wird. Dieses Gesetz verfolgt drei zentrale Ziele:

  1. Sammelquote: Ab dem Jahr 2019 muss die Menge an gesammelten Elektroaltgeräten mindestens 65 % des gemittelten Gesamtgewichts der in den drei Vorjahren in Verkehr gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte entsprechen.
  2. Verwertungsquoten: Je nach Gerätekategorie müssen zwischen 75 % und 85 % der jährlich gesammelten Altgeräte-Masse verwertet werden, darunter Recycling, Vorbereitung zur Wiederverwendung und energetische Verwertung.
  3. Quoten für Recycling und Vorbereitung zur Wiederverwendung: Je nach Gerätekategorie sind zwischen 55 % und 80 % der gesammelten Altgeräte zur Wiederverwendung vorzubereiten oder zu recyceln.

Obwohl diese Richtlinien klare Ziele vorgeben, bleibt Deutschland in der Erreichung dieser Vorgaben zurück. Die Mindestsammelquote von 45 %, die von 2016 bis 2018 galt, wurde zwar fast erreicht (2016: 44,9 %, 2017: 45,1 %), doch ab 2019 sind die Ergebnisse rückläufig. Im Jahr 2022 sank die Sammelmenge sogar um etwa 100.000 Tonnen auf rund 900.000 Tonnen, was einer Sammelquote von nur 31,7 % entspricht – deutlich unter dem Vorjahreswert von 38,6 % (Quelle: Umweltbundesamt).

Die Ursachen für Deutschlands niedrige Sammelquote

Warum landet so viel Elektroschrott nicht in den dafür vorgesehenen Sammelstellen? Es gibt mehrere Faktoren, die zur niedrigen Sammelquote beitragen:

  1. Mangelnde Motivation und fehlende Anreize für Verbraucher: Obwohl Verbraucher ihre alten Elektrogeräte kostenlos bei kommunalen Sammelstellen oder im Handel abgeben können, wird dies oft als unpraktisch empfunden. Diese Sammelstellen sind nicht immer leicht erreichbar, und die Öffnungszeiten sind häufig eingeschränkt. Darüber hinaus fehlt es an klaren Anreizen, die Verbraucher motivieren könnten, ihre Geräte zurückzugeben. Anders als bei Pfandflaschen gibt es keine finanzielle Belohnung, die Konsumenten dazu ermutigen würde, sich aktiv um die Rückgabe ihrer Altgeräte zu bemühen. Zudem haben vergleichbare Anreizsysteme in anderen Ländern, wie Pfandprogramme für Elektrogeräte oder Rückkaufprogramme, bereits erfolgreich gezeigt, dass finanzielle Belohnungen eine große Rolle spielen können.
  2. Das „Horten“ von Altgeräten: Viele Menschen bewahren ihre alten Elektrogeräte einfach zu Hause auf. Eine Studie der BITKOM ergab, dass in deutschen Haushalten etwa 210 Millionen alte Handys ungenutzt in Schubladen liegen. Das Problem beschränkt sich nicht nur auf Handys – auch alte Laptops, Tablets und Haushaltsgeräte wie Toaster und Haartrockner werden oft über Jahre hinweg aufbewahrt, anstatt recycelt zu werden. Das „Horten“ von Altgeräten führt dazu, dass diese wertvollen Rohstoffe dem Recyclingprozess entzogen werden. Damit wird der Weg zu einem funktionierenden Rohstoffkreislauf unterbrochen, und die ungenutzten Geräte nehmen unnötigen Platz ein. Es gibt Ansätze, das Bewusstsein für die Ressourcengewinnung aus Altgeräten stärker zu fördern, indem Bürger beispielsweise über mögliche Recyclingquoten und deren positive Effekte auf die Umwelt informiert werden.
  3. Illegale Exporte von Elektroschrott: Ein weiterer bedeutender Faktor ist der illegale Export von Elektroschrott in Länder außerhalb der EU. Diese Geräte werden oft in Entwicklungsländer verschifft, wo sie unter unsachgemäßen Bedingungen zerlegt oder entsorgt werden. Dies führt nicht nur zu Umwelt- und Gesundheitsproblemen in diesen Ländern, sondern verhindert auch, dass die Altgeräte in Deutschland ordnungsgemäß recycelt werden. Viele dieser Exporte entziehen sich der offiziellen Statistik, was die Sammelquote zusätzlich verzerrt. Die Deutsche Umwelthilfe fordert deshalb verstärkte Kontrollen und höhere Strafen für den illegalen Export von Elektroschrott. Eine effektive Durchsetzung der bestehenden Regeln könnte einen erheblichen Einfluss auf die Sammelquote haben und die Zahl der Altgeräte, die dem Recyclingprozess zur Verfügung stehen, erheblich erhöhen.
  4. Fehlende Aufklärung und Sensibilisierung: Trotz der Bemühungen der Regierung und der Umweltschutzorganisationen ist das Bewusstsein der Verbraucher für die richtige Entsorgung von Elektrogeräten nach wie vor gering. Viele Menschen wissen nicht, dass kleine Elektrogeräte wie Mobiltelefone, E-Zigaretten oder elektrische Zahnbürsten nicht im Hausmüll entsorgt werden dürfen. Es besteht auch Unsicherheit darüber, wo und wie diese Geräte abgegeben werden können. Gezielte Kampagnen, etwa über Fernsehwerbung, Social-Media-Kampagnen oder Informationsmaterialien in Geschäften, könnten dazu beitragen, die Bevölkerung über die Konsequenzen und Alternativen der Elektroschrottentsorgung besser zu informieren.

Massenkonsum und die Konsequenzen

Daten des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) zeigen, dass Deutschland im europäischen Vergleich das drittmeiste Elektroschrottaufkommen pro Kopf erzeugt, während Länder wie Spanien oder Belgien bereits auf Wiederverwendungsquoten setzen, um Elektroschrott zu reduzieren. Hier könnte Deutschland ansetzen und eine verbindliche Wiederverwendungsquote von mindestens 15 % gesetzlich verankern fordert die Deutsche Umwelthilfe. Eine solche Maßnahme würde nicht nur den Ressourcenkreislauf stärken, sondern auch die Nachfrage nach kurzlebigen Einwegprodukten wie E-Zigaretten reduzieren. Produkte mit kurzer Lebensdauer, wie Einweg-E-Zigaretten, tragen erheblich zum Elektroschrottaufkommen bei und könnten durch gezielte Maßnahmen in ihrer Produktion und Entsorgung reguliert werden, um die Gesamtabfallmenge zu reduzieren.

Neue Regeln zur Batterierückgabe durch das BMUV

Am 6. November 2024 hat das Bundeskabinett neue Regelungen zur Sammlung von Batterien beschlossen. Neben herkömmlichen Altbatterien können nun auch die Batterien von E-Bikes und E-Scootern am kommunalen Wertstoffhof zurückgegeben werden. Die Bundesregierung hat damit eine notwendige Änderung im nationalen Batterierecht zur Anpassung an die neue EU-Batterieverordnung (EU-BattVO) beschlossen, um einen nachhaltigen Umgang mit Batterien entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu fördern. Ziel ist es, durch transparente Kreislaufstrukturen vermehrt Altbatterien aus recyceltem Material zu gewinnen und so den Einsatz neuer Rohstoffe zu reduzieren.

Gemeinsam die Sammelquote steigern

Deutschland steht vor der Herausforderung, seine Elektroschrott-Sammelquote signifikant zu erhöhen. Die Ursachen für die niedrigen Sammelmengen sind vielfältig, doch mit einer Kombination aus verbesserten Rückgabemöglichkeiten, verstärkter Öffentlichkeitsarbeit und Anreizsystemen könnte die Situation verbessert werden. Elektroschrott ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern auch eine ungenutzte Ressource. Wenn wir alle an einem Strang ziehen – die Verbraucher, der Handel, die Wertstoffhöfe, die Recyclingwirtschaft und die Regierung – können wir die wertvollen Rohstoffe zurückgewinnen und die Umwelt entlasten. Es liegt an uns allen, aktiv zu werden und die Ressourcen, die in unseren Elektrogeräten schlummern, zurück in den Wirtschaftskreislauf zu führen.

Vor diesem Hintergrund bietet die 25. Fachkonferenz zur Entsorgung von Elektro-Altgeräten am 20. Februar 2025 eine wichtige Plattform, um praxisnahe Lösungen zur Erhöhung der Sammelquote zu diskutieren. Die Konferenz beleuchtet die neuesten Entwicklungen des ElektroG III und des Batteriegesetzes (BattG) und zeigt, wie Kommunen ihre Rücknahmesysteme optimieren und die Wiederverwendung von Altgeräten fördern können.

Ebenfalls praxisnah angesetzt ist das Seminar am 23. Januar 2025 zur Vorbereitung zur Wiederverwendung nach §§ 17a und 17b ElektroG3, das durch die Akademie Dr. Obladen und Dr. Brüning Engineering UG veranstaltet wird. Hier werden rechtliche Grundlagen, Neuerungen und praktische Erfahrungen zur Wiederverwendung von Elektroaltgeräten erläutert. Die Veranstaltung zeigt neuen Geschäftsmöglichkeiten und Kooperationschancen für Erstbehandlungsanlagen und öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger (örE) auf, die seit 2022 erstmals gemeinsam Rücknahme- und Sammelstellen betreiben dürfen.

Ihr Engagement ist gefragt!

Diskutieren Sie mit und setzen Sie sich aktiv mit dem Thema auseinander. Teilen Sie Ihre Meinung und Ideen zur Verbesserung der Sammelquoten und zur Ressourcenschonung. Gemeinsam können wir die Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft bewältigen und einen nachhaltigen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten.

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